„Die Schicksale sind verschieden, man weiss nicht, was kommt. Ich bin dankbar, lebe Tag für Tag.”

Verena Daerendinger wird im Jahre 1922 in Trachselwald im Berner Emmental geboren. Mit zwei jüngern Schwestern wächst sie auf dem Bauernhof ihrer Eltern auf. Es gibt kein Badezimmer, die Toilette ist im Stall. Ihre Kindheit ist schön und unbeschwert, vor allem wegen ihrer Grossmutter, die im Stoeckli auf dem Hof lebt, und die sie sehr liebt.
Im Alter zwischen 7 und 16 besucht Verena Daerendinger die Primarschule, sie mag Rechnen und Schreiben. Danach verbringt sie ein Jahr auf einem Bauernhof in Blonay, um Französisch zu lernen. Mit 17 kehrt sie auf den heimatlichen Hof zurück, Vater und Grossvater werden einge-zogen, der Zweite Weltkrieg hat begonnen. Später legt sie die Berufsprüfung für Bäuerinnen ab.
Ihren späteren Ehemann Hans lernt sie mit 20 beim Tanzen kennen. Damals tanzt man noch in Tracht. Gemeinsam verbringen sie die Sonntage mit Radfahren, Wandern oder Skifahren. Sie heiraten 1949. 1950 wird der erste und 1952 der zweite Sohn geboren, 1957 ihre Tochter.
Im Jahr 1953 lassen sich Verena Daerendinger und ihr Mann auf einem Bauernhof in Genf nieder, 1962 biete sich ihnen dann die Möglichkeit, einen landwirtschaftlichen Betrieb am Ufer des Neuenburgersees im Kanton Waadt zu erwerben. Sie züchten Schweine, Kühe, Pferde, Schafe, Hühner, Kaninchen und Bienen, haben Obstbäume an und pflegen einen großen Garten. Sie liebt die Natur, Tiere und Pflanzen. Heute wird der Betrieb vom Enkel in der dritten Generation geführt.
Verena Daerendinger überwindet schwierige Zeiten in ihrem Leben, indem sie die Ärmel hochkrempelt und sich auf ihren tiefen Glauben stützt. Sie unterstützt ihren Mann in seinen depressiven Phasen und pflegt ihn danach lange Zeit. Mit grosser Trauer verliert sie ihren Sohn, ihren Enkel und ihren Schwiegersohn. Auch ihre Schwester Anny, mit der sie bis ins hohe Alter auf Schweizerdeutsch telefoniert, ist nicht mehr da. Manchmal fragt sie sich, ob sie in ihrem Leben etwas anders gemacht hätte, und bedauert, dass sie nicht im Emmental geblieben ist und sich nicht mehr Zeit für ihre Kinder genommen hat, aber da war immer so viel Arbeit. Mit 103 Jahren genießt sie jeden Augenblick mit ihren Enkeln und Urenkeln in vollen Zügen.
Verena Daerendinger ist in eine grosse Familie eingebettet. Sie wohnt mit ihrem Sohn und dessen Frau im gleichen Haus, die beiden oben, sie unten. Mehrere Enkel leben gleich nebenan. Ihre Tochter, mit der sie sich ebenfalls sehr gut versteht, ist auch im Dorf. Sie pflegt eine sehr enge Beziehung zu ihren Enkelinnen und schätzt deren häufige Besuche sehr.
Sie sagt es sei schön und nicht schön 100 Jahre alt zu sein. Gesundheitlich geht es ihr gut, sie kann gut schlafen, aber sie hört und sieht schlecht. Vor allem stört sie ihre eingeschränkte Mobilität, dass sie nur noch auf die Terrasse, aber nicht mehr in den Garten kann. Sie schätzt es sehr, wie sich die Familie um sie kümmert. Trotzdem ist es ihr wichtig, dass sie Manches noch selbstständig tun kann: so kocht sie Sonntags selbst, damit ihre Kinder frei haben.
Verena Daerendinger sagt, sie ist sehr zufrieden und empfindet grosse Dankbarkeit. Und Musik hört Verena Daerendinger immer noch gerne: Das Radio wird von 14 bis 17 Uhr angemacht, weil dann nur Musik gespielt wird. Da ist diese schelmische Blitzen in ihren Augen.



