„Studiert lange, in diesen Jahren erwirbt man Wissen und knüpft Freundschaften fürs Leben.”

Jeanette Loesch wird 1923 in Vietnam geboren und wächst in einer Familie mit zehn Kindern auf. Sie lebt mit ihren Eltern, Geschwistern, ihrem Onkel und ihren Cousins in einer engen Familiengemeinschaft.
Der tägliche Schulweg ist beschwerlich: man ein gutes Stück gehen und eine Rikscha nehmen. Jeanette Loesch ist ein begabtes Kind, das gerne lernt. Trotzdem muss sie – wie es für Mädchen damals üblich war – ihre Ausbildung nach dem „certificat d’études“ beenden und ihrer Mutter helfen, sich um die Geschwister zu kümmern. Sie steht ihrer Mutter, die sie über alles liebt, sehr nah, und hat ein enges Verhältnis zu ihrem Vater, mit dem sie oft über Politik spricht.
Mit 17 Jahren beginnt Jeanette Loesch ihre berufliche Laufbahn als Zahnarzthelferin. Später arbeitet sie in einer Apotheke. Von ihren Ersparnissen kann sie sich ihre ersten Ferien leisten – der Beginn einer Reihe wohlverdienter Reisen. Diese Reisen ermöglichen es ihr, wunderbare Menschen kennenzulernen. Viele Kontakte pflegt sie über Jahre hinweg. Auf einer dieser Reisen begegnet sie auch dem Vater ihrer Tochter. Ihre Beziehung dauert mehrere Jahre, endet jedoch, als Jeanette ihre Schwangerschaft entdeckt, die er nicht wollte. Fest entschlossen, ihre Tochter alleine großzuziehen, verlässt Jeanette Loesch Saigon mit dem Schiff – zum ersten Mal, im Alter von 27 Jahren, mit dem Ziel Nizza.
Doch die Realität in Frankreich ist weit entfernt von dem Paradies, das ihr Vater beschrieben hatte. Die beruflichen Möglichkeiten sind begrenzt, eine Karriere ist nicht möglich. Ein Jahr nach ihrer Ankunft erhält Jeanette eine Nachricht von einem ehemaligen Apothekerkollegen, der ihr seine Gefühle gesteht und ihr Hilfe anbietet. Sie entscheidet sich, nach Saigon zurückzukehren – unter einer Bedingung: Ihre Tochter soll in Europa studieren und sie will jedes Jahr Weihnachten und die Sommerferien mit ihr verbringen. Zurück in Vietnam kommt ihre Tochter in den Kindergarten, bevor sie später wieder nach Frankreich geht.
Das Leben von Jeanette Loesch ist geprägt von häufigen Reisen und Umzügen. Sie reist oft mit dem Passagierschiff zwischen Frankreich und Vietnam hin und her, um ihre Familie zu besuchen und zu helfen. Später zieht sie wegen des Vietnam-Kriegs nach Kambodscha, wo sie zehn Jahre mit ihrem Lebensgefährten bleibt. Dank ihrer Kontakte kann sie ihre Tochter nach Zürich und später nach England schicken, wo das Mädchen seine Ausbildung abschließt.
Einige Jahre später kehrt Jeanette Loesch nach Europa zurück: zuerst lebt sie in Paris, dann in Nizza und schließlich in Genf, wo sie sich bei ihrer bereits dort lebenden Tochter niederlässt und dort ihren 100. Geburtstag feiert.
Trotz ihres hohen Alters führt Jeanette Loesch noch immer ein sehr aktives Leben. Sie kocht, geht mit ihrer Tochter einkaufen, kümmert sich um ihre Pflanzen, besucht Konzerte und Theateraufführungen. Sie bewahrt stets eine positive Einstellung zum Leben, so wie es sie es von ihrer Mutter gelernt hat. Diese hat ihr auch beigebracht, den Menschen treu zu bleiben, die man liebt.



