Die Gegenwart als Herausforderung in Nordwesteuropa (1348-1648). Eine Kulturgeschichte der Gegenwart vor dem Zeitalter des Präsentismus (DE)

Das Forschungsprojekt untersucht, wie das Konzept der „Gegenwart“ in Nordwesteuropa während des Zeitraums vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit wahrgenommen und gelebt wurde. Dieser geografische Raum, der die Niederlande, den Westen des römisch-deutschen Reiches, Nordfrankreich und Südengland umfasst, erlebte in dieser Zeit bedeutende Veränderungen, sowohl in der Politik, der Wirtschaft, der Religion und Kunst. Die Koexistenz verschiedener politischer Systeme und Sprachen, eine besonders ausgeprägte Stadtentwicklung und sich rasch verändernde Lebensbedingungen bilden einen einzigartigen historischen Kontext, der sich von der traditionellen Darstellung der Renaissance unterscheidet.

Unser Ansatz ist umfassend und interdisziplinär und verbindet Geschichte, Kunst- und Literaturgeschichte, Linguistik, Medienwissenschaften, Anthropologie und Politikwissenschaft. Drei Schwerpunkte stehen dabei im Mittelpunkt: die Entwicklung des Konzepts der „Gegenwart“ von 1348 bis 1648; die Herausarbeitung der kulturellen Besonderheiten Nordwesteuropas in diesem Zusammenhang; die Frage, wie die Menschen und die Gemeinschaften, denen sie angehörten, das Konzept der Gegenwart wahrnahmen und sich daran anpassten. Unsere Analysen sollen zeigen, wie Diskurse und Bilder die (individuellen und kollektiven) Wahrnehmungen der damaligen Menschen von ihrer eigenen Zeit prägten, wie zeitgenössische Ereignisse dargestellt und interpretiert wurden und wie neue Ideen sowie politische und gesellschaftliche Veränderungen wahrgenommen wurden.

Durch die Neuausrichtung des historischen Fokus auf Nordwesteuropa will das Forschungsprojekt die Vielfalt und Komplexität dieses Kulturraums sowie seine wichtige Rolle bei der Beeinflussung der Wahrnehmung der Gegenwart in einem breiteren europäischen Kontext hervorheben.