Medizin
Gegen den Abbau des Gedächtnisses: Neue Hoffnung für Menschen mit Trisomie 21

Eine Hormontherapie könnte dem kognitiven Verfall bei Menschen mit Down-Syndrom hemmen oder gar umkehren. Das zumindest legt eine kleine Pilotstudie nahe.

Stephanie Schnydrig
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Ein Studienteilnehmer mit Trisomie 21 erhält im Rahmen einer Pilotstudie eine Hormoninjektion im Unispital Lausanne.

Ein Studienteilnehmer mit Trisomie 21 erhält im Rahmen einer Pilotstudie eine Hormoninjektion im Unispital Lausanne.

CHUV / Eric Deroze

Das Down-Syndrom, auch Trisomie 21 genannt, ist die häufigste genetisch bedingte Ursache für geistige Behinderung. Drei von vier Betroffenen entwickeln im Erwachsenenalter zudem Symptome, die denen einer früh einsetzenden Alzheimer-Krankheit ähneln. Eine wirksame Behandlung gibt es derzeit nicht. Hoffnung machen könnte eine Therapie mit dem Hormon namens Gonadotropin-Releasing-Hormon, kurz GnRH.

Wie neuere Studien nahelegen, wirkt dieses im Hypothalamus ausgeschüttete Hormon nicht nur auf die Produktion der Geschlechtshormone ein, sondern auch auf die Hirnfunktion. Kürzlich nun berichtete ein Team um die Endokrinologin Nelly Pitteloud vom Universitätsspital Lausanne (CHUV) und Vincent Prévot vom französischen Gesundheitsforschungsinstitut Inserm im Fachblatt «Science», dass Trisomie 21 mit einer Störung der GnRH-Regulierung einhergehe.

In Versuchen mit Mäusen zeigten die Forschenden zunächst, dass die Gabe des Hormons tatsächlich jene durch das Down-Syndrom mit dem Alter zusätzlich verursachten kognitiven Defizite rückgängig macht. Aufbauend auf diesen Ergebnissen führten sie eine klinische Pilotstudie mit sieben Männern im Alter von 20 und 50 Jahren mit Trisomie 21 durch. Resultat: Nach einer sechsmonatigen Hormontherapie verbesserte sich die Hirnfunktion bei sechs der Studienteilnehmer. Dazu zählte eine Verbesserung des Denkvermögens, der dreidimensionalen Vorstellungskraft und der Aufmerksamkeit. Ein Grund, wieso die Therapie bei einem der Patienten nicht anschlug, konnte nicht ausgemacht werden.

Grössere Studie mit Frauen nötig

Wie die Forschenden festhalten, ist die Behandlung sicher und wird bereits bei Menschen mit dem Kallmann-Syndrom eingesetzt. Das ist eine Erkrankung, bei der kaum oder keine Geschlechtshormone produziert werden.

Wann der optimale Zeitpunkt für eine Therapie wäre, liesse sich derzeit noch nicht sagen, sagt die Lausanner Forscherin Pitteloud. So oder so müsse die Wirkung der Behandlung zuerst in einer randomisierten und placebokontrollierten Folgestudie validiert werden. Klar allerdings ist laut Pitteloud:

«GnRH induziert den Beginn der Pubertät und kann daher nicht vor dem Beginn der Pubertät verabreicht werden.»

Das CHUV rekrutiert für die grössere Studie derzeit in der französischsprachigen Schweiz Frauen und Männer mit Trisomie 21. Für die Deutschschweiz liegt die Leitung der Studie beim Universitäts-Kinderspital beider Basel.

In einem Begleitartikel zur Studie merkt die US-Forscherin Hanne Hoffmann denn auch an, dass es wichtig sei, die Wirksamkeit und Sicherheit bei beiden Geschlechtern zu untersuchen. Denn bei Frauen könnte eine GnRH-Behandlung den Menstruationszyklus und den Eisprung negativ beeinflussen. Dennoch vermutet sie, dass die Therapie bei ihnen ebenso nützlich sein könnte wie bei Männern.